Reform:Kinderrechte sollen ins Grundgesetz

Reform: Dem Entwurf zufolge soll es bei der alles überragenden Erstverantwortung der Eltern für ihre Kinder bleiben

Dem Entwurf zufolge soll es bei der alles überragenden Erstverantwortung der Eltern für ihre Kinder bleiben

(Foto: Juliane Liebermann/Unsplash)
  • Das Bundesjustizministerium hat einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeitet. Danach soll ein neuer Absatz 1a in Artikel 6 eingefügt werden.
  • Am Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat soll damit aber möglichst nichts geändert werden.
  • Elternrecht und Elternverantwortung sollen nicht beschränkt werden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Nach jahrelanger Diskussion über eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz hat das Bundesjustizministerium nun einen Gesetzentwurf erarbeitet. Danach sollen Kinder einen Anspruch auf "Förderung ihrer Grundrechte" erhalten, zudem soll eine Pflicht zur Berücksichtigung des Kindeswohls festgeschrieben werden. Ministerin Christine Lambrecht (SPD) überweist das 14-Seiten-Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, an diesem Dienstag zur Ressortabstimmung an die Bundesregierung. Damit wird die erste Änderung im Katalog der Grundrechte seit fast 20 Jahren eingeleitet.

Der Entwurf baut auf einem ausführlichen Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf. Das Ministerium hat eine Synthese aus den drei Formulierungsvorschlägen der Experten erarbeitet. Danach soll ein neuer Absatz 1a in Artikel 6 eingefügt werden: "Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör."

Mit diesen drei Sätzen, die Artikel 6 um mehr als die Hälfte seines jetzigen Umfangs erweitern, wollen die Reformer allerdings möglichst wenig am Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat ändern, wie es seit langem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angelegt ist. Der neue Absatz solle "die Grundrechte von Kindern im Text des Grundgesetzes besser sichtbar machen" und "verdeutlichen, welch hohe Bedeutung Kindern und ihren Rechten in unserer Gesellschaft zukommt". Elternrecht und Elternverantwortung würden nicht beschränkt, sondern "inhaltlich unverändert" garantiert. Das Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat solle "bewusst nicht angetastet werden", heißt es in dem Entwurf.

Mit diesen Beteuerungen wollen die Reformer die Sorge zerstreuen, mit einem neuen Kinderrecht bekäme der Staat ein neues Werkzeug zur Krisenintervention in problematischen Familien. Bisher kann das Jugendamt Kinder nur bei echten Gefährdungen aus solchen Familien herausnehmen. Doch manche Gerichte ließen in der Vergangenheit bereits fragwürdige Erziehungsmethoden für einen solchen oft lebensentscheidenden Eingriff ins Familiengefüge ausreichen. Nach der Begründung des Entwurfs soll es aber bei der alles überragenden Erstverantwortung der Eltern für ihre Kinder bleiben. Der Staat hat nur ein "Wächteramt" und steht als Aufpasser in der zweiten Reihe.

Eine biegsame Formel

Daran wird nicht gerüttelt, das lässt sich auch daran ablesen, dass das Kindeswohl dem neuen Artikel zufolge "angemessen" berücksichtigt werden soll. Das ist die biegsamste aller Formeln; die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte alternativ auch "wesentlich" oder gar "vorrangig" vorgeschlagen, Begriffe also, die einem interventionswilligen Richter mehr Möglichkeiten für Eingriffe in Familien eröffnet hätten.

Eher zurückhaltend bleibt der Entwurf bei den Teilhaberechten der Kinder. Den Vorschlag der Arbeitsgruppe, jedem Kind einen Anspruch auf "Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife" einzuräumen, hat er nicht aufgegriffen. Es bleibt bei einem Anspruch auf "rechtliches Gehör", wie er aber längst im Grundgesetz verankert ist.

Der Entwurf wird damit kurz nach dem 30. Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention veröffentlicht, die seit 1992 auch in Deutschland gilt und seinerzeit erste Debatten über die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz ausgelöst hatte. Juristisch zwingend ist die Schaffung eines neuen Kinderrechtsartikel aus Sicht des Ministeriums aber nicht. Die Konvention verpflichte Deutschland nicht zu einer Verfassungsänderung, heißt es in dem Entwurf.

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