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Deutschland Intergeschlechtlichkeit

So viele Menschen haben die dritte Geschlechtsoption genutzt

Die dritte Option ist Realität: Wer sich als „divers“ identifiziert, kann das offiziell machen Die dritte Option ist Realität: Wer sich als „divers“ identifiziert, kann das offiziell machen
Die dritte Option ist Realität: Wer sich als „divers“ identifiziert, kann das offiziell machen
Quelle: pa/dpa/Peter Steffen
Seit mehr als zwei Jahren können Deutsche ihr Geschlecht offiziell als „divers“ angeben. Eine Umfrage des Bundesinnenministeriums in den Ländern gibt Aufschluss, wie oft diese Option genutzt wurde. Wesentlich beliebter ist aber eine andere Möglichkeit.

Seit dem 22. Dezember 2018 gibt es in Deutschland die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag „divers“ im Personenstandsregister eintragen zu lassen. Eine Änderung des Personenstandsgesetzes machte dies möglich.

Nach einer Umfrage des Bundesinnenministeriums unter allen 16 Bundesländern, die WELT vorliegt, wurde die Möglichkeit bislang wenig genutzt. Bis zum 30. September 2020 haben insgesamt 394 Menschen den Geschlechtseintrag divers gewählt oder den Eintrag offen gelassen. Außerdem wurden 19 Neugeborene als „divers“ registriert.

Viel häufiger wurde die Änderung des Personenstandsgesetzes genutzt, um den Geschlechtseintrag von „weiblich“ zu „männlich“ oder umgekehrt zu ändern. Das passierte insgesamt 1191 Mal.

Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten zur dritten Option:

Wer kann die dritte Option nutzen?

Das Gesetz besagt, dass ein Mensch, der seinen Geschlechtseintrag auf „divers“ ändern möchte, ein ärztliches Attest beim Standesamt vorlegen muss, das eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ bescheinigt. Die Gesetzesänderung richtet sich an intergeschlechtliche Menschen, also solche, die mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden. Das können Genitalien, Chromosome, Hormone oder Keimdrüsen sein.

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Schätzungen des Ethikrats zufolge leben in Deutschland etwa 80.000 intergeschlechtliche Menschen. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur dritten Option war die Rede von bis zu 160.000 Menschen.

Wieso haben sich bisher nur so wenige Menschen als „divers“ eintragen lassen?

Dafür gibt es viele Gründe. Nicht alle intergeschlechtlichen Personen wollen den Geschlechtseintrag „divers“. Viele fühlen sich dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig.

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Selbst Menschen, die grundsätzlich gerne als divers eingetragen werden wollen, scheuen aktuell noch vor der Umtragung zurück. Zum einen fürchten sie, auf Unverständnis zu stoßen; zum anderen machen ihnen die rechtlichen Unklarheiten Sorgen.

Welche rechtlichen Unklarheiten gibt es?

Besonders im Familienrecht ist die Situation für diverse Menschen kompliziert. So wird eine diverse Person, die ein Kind zur Welt bringt, automatisch Mutter. Vater hingegen kann eine diverse Person nicht werden.

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Ein männlicher Ehepartner wird automatisch Vater, wenn seine Ehepartnerin ein Kind gebiert. Eine diverse Person hingegen muss die Vaterschaft „über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ gerichtlich feststellen lassen, das eigene Kind also adoptieren. Die Person wird dann „Elternteil“.

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Quelle: pa/dpa/dpa-Zentral/Jan Woitas

Andere Unklarheiten wurden inzwischen behoben. So passte im Juni 2019 die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihren einheitlichen Bewertungsmaßstab an. Darin heißt es nun: „Geschlechtsspezifische Leistungen ohne geschlechtsorganbezogenen Inhalt können auch bei Intersexualität und Transsexualität mit der dafür vorgesehenen Gebührenordnungsposition abgerechnet werden.“

Eine Sprecherin der Techniker Krankenkasse erklärt an einem Beispiel, was das bedeutet: Wer eine Prostata hat, bekomme eine Prostata-Vorsorge – egal, ob die Person als männlich, weiblich oder divers eingetragen ist.

Welchen Geschlechtseintrag hatten intergeschlechtliche Menschen vorher?

In der Regel wurden intergeschlechtliche Menschen bisher bei der Geburt einem der beiden binären Geschlechter zugeteilt. Welchem, das entschieden Ärzte und Eltern. Oft wurde das Kind in diesem Zuge auch maskulinisierenden oder feminisierenden Operationen unterzogen – also einem Geschlecht angepasst. Bis heute setzen sich Aktivisten für ein Verbot dieser Zwangsoperationen ein.

Wieso wird die Änderung von „weiblich“ zu „männlich“ und umgekehrt öfter beantragt?

Offenbar fühlen sich viele Menschen, bei denen eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt, dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugehörig, sind aber bei ihrer Geburt dem jeweils anderen Geschlecht zugeordnet worden. Die Änderung des Eintrags ermöglicht ihnen, ihren Geschlechtseintrag nun zu korrigieren.

Vor dem 22. Dezember 2018 war dies nur über das Transsexuellengesetz (TSG) möglich. Die Änderung der Eintragung über das TSG ist mit hohen Kosten sowie psychologischen Gutachten verbunden. Sie nimmt meist mehrere Jahre in Anspruch.

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